Die Tür schwang auf und Lucien vernahm ein leises, weibliches Flüstern. Das musste Sie sein. Damit hatte er jetzt schon gar nicht mehr gerechnet und widmete sich bereits anderen Aufgaben zu. Schließlich war Zeit bekanntlich das knappste Gut auf Erden. Vor allem in den Bereichen, wo Geld eine riesige Rolle spielt...
Als die Tür wieder ins Schloss fiel, sah er von seinen Akten auf, die er gerade im stehen sortieren wollte. ,,Sie kommen reichlich zu spät, Miss Grey...'', grüßte Lucien Sie so lässig wie er konnte. Doch das er reichlich verärgert war, konnte sogar die stumpfsinnigste Person auf Erden aus seiner Stimme heraus hören. Wer wartete denn schon gerne länger als zehn Minuten?!
Ein tiefer Seufzer ertönte und endlich wandte er sich der Bewerberin mit einer knappen Drehung zu. Lucien stockte der Atmen und schlagartig fror sein Körper sein. Er bemerkte nicht mal, dass sich seine Lippen einen Spalt breit geöffnet hatten, doch Worte verließen seine Kehle nicht. Diese Frau, diese weißblonden Haare, dieses Gesicht... Bilder tauchten vor seinen inneren Augen auf. Bilder von vor sechs Monaten, als er einen Geschäftsmann in der 34. Straße eine Pergamentrolle abnehmen sollte. Dieser Mann hatte vorgesorgt, er wusste von gewissen Menschen wie Lucien es war und so hatte er Söldner angeheuert, die sein Leben in dieser einen Nacht bewahren sollten- und natürlich diese Pergamentrolle.
Die Söldner waren schnell aus dem Weg geräumt und gerade, als er auf den verängstigten Geschäftsmann zu ging, der sich verzweifelt mit Tischen und Stühlen seinem besiegelten Schicksal entkommen wollte, riss Lucien ein Blondschopf zu Boden.
Also warum in alles in der Welt sah diese Diana Grey dieser Frau von damals so unglaublich ähnlich! Das konnte kein Zufall sein. Sie war es, Sie musste es sein. Lucien täuschte sich nur allzu selten und das war keiner dieser Momente in seinen Leben, wo er sich irren würde.
Ohja, Lucien Gromow alias Blanc-Bellerose war sich sicher. Seine Miene war nun unbewegt, seine Bewegungen elegant und flüssig wie immer, als er Ihr einige Schritte näher kam. Kurz verengte er seine blauen Augen und fing an, Diana zu mustern. ,,Ich weiß nicht, ob ich Ihnen noch eine... Chance geben möchte, nachdem Sie mich eine geschlagene halbe Stunde haben warten lassen. Wir sind hier nicht bei einem Ihrer Vorsprechen für einen Kellnerinnenjob…'', schlug es Ihr herablassend entgegen. Er hatte jetzt allen Grund dazu, verärgert zu sein und das sollte Sie zu spüren bekommen, wenn er Ihr im Augenblick nicht das Genick brechen konnte. Noch würde er sich nicht zu erkennen geben, dass er der Typ von damals war, gegen den Sie ein Katz- und Mausspiel um diese Schriftrolle abhalten musste. Und irgendwie würde das ganze auch ein wenig Spaß bringen, Sie so in Unwissenheit baden zu lassen und dabei amüsiert zusehen zu können.
Und das Becken, in dem Sie schwimmen würde, war ein gefährliches Terrain.
Lucien sog die Luft scharf ein und tigerte um seinen teuren Schreibtisch hinter den ledernden Bürostuhl, von wo aus er Sie weiter mit seinen Blicken quälen würde. Locker verschränkte er die Arme auf der Lehne. ,,Aber ich hätte auch nicht mehr Disziplin von einer Kellnerin aus dem unteren Teil der gesellschaftlichen Nahrungskette erwartet. Also haben Sie mich nicht überrascht, Miss Grey.... Ob das nun gut oder schlecht ist, dürfen Sie bewerten.'' Ein verschmitztes Grinsen wanderte über seine Lippen. ,,Das Sie heute eingeladen wurden, kam nicht von mir, falls Sie sich jetzt über meine ''Freundlichkeit'' wundern. Der Vorstand wollte, sagen wir, unkonventionellere Anwärter anhören.''
Sie ist es, kreisten seine Gedanken innerlich. SIE IST ES. Diese Frau, die dich aufhalten wollte, hämmerten seine Gedanken. Und Sie ist genau vor dir, Sie ist zu dir gekommen.
@Diana Grey